Angela Merkel: Die AfD bei 20 Prozent? "Das ist echt nicht mehr meine Verantwortung"
Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneuert ihre Kritik an
den Anträgen zur Migrationspolitik von Friedrich Merz. Auch unter
schwierigen Bedingungen sollte es nicht dazu kommen, dass Mehrheiten mit
der AfD gebildet werden. Sie empfinde es nicht als richtig, "in einer
solchen Situation einfach zu schweigen" – und habe deswegen ihre Meinung
gesagt. Vorher informiert habe sie Merz darüber nicht. Merkel spricht
von einer Frage grundsätzlicher Bedeutung. Ansonsten mische sie sich
nicht in die Tagespolitik ein.
Von Kritik an ihrer Migrationspolitik fühle sie sich angesprochen, sagt
Merkel. "Von einer Bundeskanzlerin erwartet man, dass die irreguläre
Migration reduziert wird." Sie halte die Asyl- und Einwanderungspolitik
der vergangenen zehn Jahre – anders als Friedrich Merz – nicht für
"verfehlt" und verweist auf Grenzkontrollen zu Österreich und das
EU-Türkei-Abkommen. Man sei aber "noch nicht am Ende der Arbeit". Sie
frage sich auch, warum es so schwer sei, Ausreisepflichtige "zur
Ausreise zu bewegen" und warum zwei Drittel der Ausländerämter immer
noch nicht digitalisiert seien.
Den Aufstieg der AfD erklärt sich Merkel nach eigenen Angaben auch durch
den Streit zwischen CDU und CSU in der Migrationspolitik während ihrer
Kanzlerschaft. "Es ist nicht richtig gewesen, dass wir so viel
gestritten haben", sagt Merkel. Sie sagt aber auch: Als sie aus dem Amt
ausgeschieden sei, habe die AfD bei elf Prozent gelegen. Dass sie nun
bei mehr als 20 Prozent liege, sei "nicht mehr meine Verantwortung".
Am 26. November 2024 veröffentlichte Angela Merkel ihre Autobiografie
mit dem Titel "Freiheit", Verlag Kiepenheuer & Witsch, die sie zusammen
mit ihrer ehemaligen Büroleiterin Beate Baumann geschrieben hat. Zu
Kritik an ihrem Buch sagt sie: "Ich war halt langweilig." Das habe man
schon während ihrer Kanzlerschaft über sie gesagt. Dass sie ein
Enthüllungsbuch schreibe, in dem sie endlich mal "die Katze aus dem Sack
lasse", hätten vielleicht manche erwartet. Ihr sei es aber ein Anliegen
gewesen, zu beschreiben, wie Politik funktioniere, sagt Merkel.
Das Gespräch ist eine Aufzeichnung der Veranstaltung aus der Reihe "Eine
Stunde ZEIT mit …", die am 5. Februar im Deutschen Schauspielhaus in
Hamburg stattfand. Das Gespräch ist auch
als Videoaufzeichnung verfügbar, und man kann es als Wortlaut-Interview
auf ZEIT ONLINE lesen.
07/2/2025
1:29:29
„Diese Demokratie muss jeden Tag erkämpft, bestätigt und verteidigt werden“
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) rechtfertigt die deutschen
Waffenlieferungen in die Ukraine. „Ich bin auch kriegsmüde“ sagt er. Es
sei hässlich, mit Waffen umzugehen, „aber es ist notwendig, um unsere
Freiheit und unsere Sicherheit zu schützen“. Pistorius spricht auch über
den Zustand der Bundeswehr. Sein Ziel sei es, Personal in der Bundeswehr
zu halten und neues anzuwerben. Vor einigen Wochen hatte er gefordert,
einen verpflichtenden Fragebogen für junge Männer einzuführen, der die
Bereitschaft und Fähigkeit zum Dienst in der Bundeswehr erfassen soll.
„Ja ich brauche mehr Geld“, sagt er auf Nachfrage. Ein Grund sei unter
anderem, dass die Herstellung von Panzern und U-Booten Jahre dauere und
die Industrie daher finanzielle Planungssicherheit brauche.
Solch schwere Waffen würden „nicht irgendwo im Regal stehen und auf
Knopfdruck bestellt werden können“.
Auf die Frage, wer anstelle von Olaf Scholz als Kanzlerkandidat infrage
käme, sagt Pistorius: „Der Glaube, nur durch das Austauschen einer
einzigen Person in der gleichen Konstellation" würde ein großer Wechsel
kommen, sei falsch. So einer Erwartungshaltung könne niemand allein
gerecht werden, Politik sei eine Frage des Teamplay.
Er hoffe, dass die leisen Stimmen, die in der Mehrheit seien, den
lauten, demokratiefeindlichen Stimmen etwas entgegensetzen würden.
Pistorius sagte: "Unsere Demokratie muss jeden Tag erkämpft, bestätigt
und verteidigt werden.“
Das Gespräch ist eine Aufzeichnung der Online-Live-Veranstaltung aus der
Reihe "Eine Stunde ZEIT", die am 19. September 2024 vor Publikum in
Hamburg stattfand und auch als Videoaufzeichnung verfügbar ist.
20/9/2024
1:28:13
"Die Vorstellung, uns nicht verteidigen zu müssen, hat Putin zerbombt"
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) rief Deutschland und die EU
auf, mehr in die Sicherheit zu investieren. "Die Vorstellung, dass wir
uns selbst nicht verteidigen müssen, hat Putin zerbombt", meint
Baerbock. Deutschland benötige einen Sicherheitshaushalt, der das
entsprechend widerspiegele. Dafür brauche es mehr Soldatinnen und
Soldaten, für eine Wiedereinführung einer Wehrpflicht sprach sie sich
aber nicht aus, sondern befürworte eine Freiwilligkeit.
Baerbock betonte zudem, dass es wichtig sei, der Ukraine weiterhin zu
helfen – auch für die deutsche Sicherheit. "Wenn wir die Ukraine nicht
weiter unterstützen, nicht nur sich selbst zu verteidigen, sondern die
russischen Truppen bei ihrem Vormarsch zu stoppen, dann ist unsere
eigene Sicherheit maximal gefährdet", sagte sie im Gespräch mit Tina
Hildebrandt und Roman Pletter, DIE ZEIT.
Zur Debatte um die Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen plädierte
Baerbock für eine parteiübergreifende Bundestagsentscheidung ohne
Fraktionszwang. Dies sei "keine Frage für koalitions- oder
parteipolitische Scharmützel", vielmehr gehe es um "so eine wichtige
gesellschaftlich-politische Frage, dass man gruppenübergreifende Anträge
macht". Es gehe um die Frage der Selbstbestimmung des eigenen Körpers.
Die geltende Regelung, dass eine Abtreibung grundsätzlich strafbar sei,
sei "vollkommen aus der Zeit gefallen".
Zu ihrem Verzicht auf eine erneute Kanzlerinnenkandidatur sagte
Baerbock, sie wolle sich voll und ganz auf das Thema Außenpolitik
konzentrieren. Auf die Frage, warum sie dies über den US-amerikanischen
Nachrichtensender CNN verkündete, sagte sie: "Es ist mir einfach richtig
vorgekommen in dem Moment." Ob ihr Parteikollege Robert Habeck aus ihrer
Sicht als Kandidat antreten sollte, ließ die Ministerin offen.
Das Gespräch ist eine Aufzeichnung der Veranstaltung Eine Stunde ZEIT
mit …, die am 26. Juli 2024 in Hamburg vor Publikum stattfand und auch
als Videoaufzeichnung verfügbar ist.
30/7/2024
1:20:59
"Das sind die Regeln – like it or leave it"
Cem Özdemir (Grüne), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft,
hat sich mit Blick auf die gehäuften Angriffe auf Politiker und den
gewaltsamen Tod eines Polizisten in Mannheim für eine Stärkung der
Justiz ausgesprochen. Auf Radikalisierungen in der Gesellschaft und
Gewalt müsse mit Strafen und mit dem Ordnungsrecht reagiert werden,
sagte er bei der Langen Nacht der ZEIT in Hamburg. Die Höhe der Strafe
sei dabei "gar nicht so entscheidend, sondern dass die Strafe schnell
folgt", sagte der Minister. "Damit man merkt, dieser Rechtsstaat ist
wehrhaft und der meint es ernst."
Mit Blick auf die kurzfristig beschlossene Kürzung der Subventionen für
Agrardiesel, die wenig später wieder zurückgenommen wurde, räumte der
Bundeslandwirtschaftsminister Fehler ein. Dort seien "mehrere Dinge
falsch gemacht" worden, sagte Özdemir. Der zweite Fehler sei gewesen,
dass über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden worden sei. "Du
musst mit den Leuten reden", sagte Özdemir. Wenn das nicht geschehe, sei
das "unverzeihlich in der Politik". Nun sei der Graben zwischen Stadt
und Land weiter vertieft worden, Biodiversität und Klimaschutz stünden
weiter gewaltig unter Druck. Das habe auch ihm selbst "das Leben nicht
leichter gemacht", sagte der Landwirtschaftsminister.
Für eine Rückkehr Boris Palmers zu den Grünen zeigt sich Özdemir offen –
"wenn er sagen würde: 'Ich lasse mir helfen'". Palmer sei ein
hervorragender Oberbürgermeister, das soll er machen und das andere
weglassen. Dann hätte er natürlich seinen Platz. "Menschen für immer
abschreiben, das sollte man ganz selten machen", sagte der
Bundesagrarminister.
Das Gespräch ist eine Aufzeichnung der Veranstaltung "Eine Stunde ZEIT
mit …", die am 8. Juni bei der Langen Nacht der ZEIT in Hamburg vor
Publikum stattfand und auch als Video-Aufzeichnung verfügbar ist.
14/6/2024
1:13:18
Alice Hasters: "Das Ich im Wir und das Wir im Ich"
Identitätskrise, das neue Sachbuch von Alice Hasters, handelt, wie der
Titel nahelegt, von Identität. Diese setze "das Ich und die Gesellschaft
in ein Verhältnis", sagte die Autorin am Freitagabend im Schauspiel
Frankfurt, wo Sascha Chaimowicz, Chefredakteur des ZEITmagazins, sie im
Rahmen der Buchmesse befragt hat. Dieses Insverhältnissetzen suche "das
Ich im Wir und das Wir im Ich", sagte Hasters. In ihrem Buch nun
konstatiert Hasters eine Identitätskrise der Gesellschaft – was ist
dieses "Wir"?
Das Gespräch ist eine Aufzeichnung der Veranstaltung "Alice Hasters:
Identitätskrise" des Literaturhauses Frankfurt und des ZEITmagazins, die
am 20. Oktober im Schauspiel Frankfurt vor Publikum stattfand und auch
als Videomitschnitt auf ZEIT ONLINE verfügbar ist. Identitätskrise von
Alice Hasters ist am 23. Oktober 2023 bei hanserblau erschienen.
Bernie Sanders, Sheryl Sandberg, Paul Auster oder Frank-Walter Steinmeier: Sie alle waren schon auf den Bühnen der ZEIT zu Gast. Redakteurinnen und Redakteure sprechen regelmäßig vor Publikum mit Spitzenpolitikern und Wirtschaftsentscheidern, Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft, Sport und Gesellschaft. Die spannendsten Gespräche gibt es ab sofort als Podcast ZEIT BÜHNE. Durch die Folgen führt Roman Pletter, stellvertretender Leiter des Wirtschaftsressorts der ZEIT.
Der Podcast wird produziert von Pool Artists.
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