Chile: Es geht nicht um 30 Pesos. Es geht um die letzten 30 Jahre
Chile präsentierte sich gern als Hort der Stabilität. Im Oktober aber führte eine scheinbar moderate Preiserhöhung der Metro in Santiago zu ungeahnten Protesten, die sich während Wochen auf das ganze Land ausweiteten. Die Wurzeln des Sozialkonflikts gehen in die Jahre der Pinochet-Diktatur zurück.
Protestiert wurde in den letzten Wochen auch, wo es gar keine Metro gibt. Also auch keine Preiserhöhung. Die Wut geht tiefer, die Forderungen an den Kundgebungen lassen das erkennen: bessere Löhne, bessere Pensionen, eine effiziente Gesundheitsversorgung für alle.
Die Regierung ist überrumpelt. Es hat frühe Warner gegeben, die auf die wachsenden Ängste vor dem sozialen Absturz hinwiesen. Woher diese kamen wäre klar gewesen.
Mit dem Pinochet-Putsch 1973 veränderte sich das Land radikal. Schrittweise und rücksichtslos wurde ein strikt neoliberales Wirtschaftsmodell durchgesetzt. Der Widerstand dagegen wurde in Folterkellern erstickt.
Auch in den Jahren der Demokratie wurde das Wirtschaftsmodell nie angetastet. Der Diktator hatte vor seinem Abtritt die Weichen gestellt. Der Markt behielt Vortritt vor der Politik. Die hohen Wachstumsraten brachten wenigen viel und vielen wenig. Ein Ausweg aus dem Sozialkonflikt wird nicht leicht zu finden sein.
Das schwierige Verhältnis der Italiener zu ihrem Staat
In Italien sind viele Menschen unzufrieden mit Regierung und Staat. Sie protestieren an der Urne, wählen Parteien, die radikale und schnelle Änderungen versprechen. Andere engagieren sich als Freiwillige, dort wo der Staat versagt. Wie stehen sie zu dem Staat, der ihnen einiges zu verdanken hätte?
In Acerra, einer Vorstadt Neapels, putzen Bürgerinnen und Bürger den Platz vor dem Bahnhof. Es sind Freiwillige. In Coviolo, einem Aussenquartier von Reggio Emilia, organisieren sich engagierte Bewohner einen Zugang zum Glasfasernetz. Freiwillig. Und in Rom unterhalten Rentner einen verwahrlosten Stadtpark. Auch sie tun das freiwillig und auf eigene Kosten.
Es sind drei Schauplätze, die unser Korrespondent Franco Battel besucht hat. Drei Orte in Italien, wo Bürgerinnen und Bürger Aufgaben übernehmen, für die eigentlich der Staat, die Regierung, die Verwaltung zuständig wären. Und an diesen drei Schauplätzen zeigt sich: Das Verhältnis zwischen Bürgern und Staat ist längst nicht überall gleich. Während sich im Norden Bürger und Staat mitunter ergänzen, stehen die Bürgerinnen im Süden dem Staat sehr kritisch gegenüber. Das hat manchmal, aber längst nicht immer nur mit fehlendem Geld und der langen Wirtschaftskrise zu tun. Oft manifestieren sich im Verhältnis zwischen Bürgern und Staat manch altbekannte, italienische Probleme.
Afghanistan und die Taliban: Nicht mit ihnen und nicht ohne sie
Die Schreckensherrschaft der Taliban in Afghanistan ist vorbei. Die USA und deren Verbündeten haben sie nach den Anschlägen von 9/11 von der Macht in Kabul vertrieben. Militärisch besiegt sind sie aber nicht. Und heute weist einiges darauf hin, dass sich Afghanistan mit den Taliban arrangieren muss.
Das Leben in Afghanistan ist hart und gefährlich. Zahllose Menschen verlassen das Land, auf der Flucht vor Gewalt, vor den Anschlägen der Taliban oder der IS-Terroristen, aber auch vor den Luftangriffen der Nato-Truppen, die bereits mehr zivile Opfer fordern als Terroranschläge.
Die ausländischen Truppen werden früher oder später abziehen. Die Taliban aber bleiben in Afghanistan. Und viele fürchten, die alte Gewaltherrschaft kehre damit zurück. Frauen würden wieder ausgeschlossen vom öffentlichen Leben, Gegner der Taliban rückhaltlos verfolgt.
Dem widersprechen die Taliban und reden von einem modernen Afghanistan. Auch Frauen sollten in dieser Gesellschaft eine Rolle spielen, sie sollten Universitäten besuchen, berufstätig sein. Die Taliban wollen Infrastruktur bauen, die dem Land fehlt und keine Schulen mehr ausbomben. Sie geben sich aufgeklärt und gemässigt.
Aber viele trauen diesem Wandel nicht. Die Taliban wollen einen Gottes-Staat, Demokratie interessiert sie nicht. Es ist darum noch unklar, welchen Platz sie in der Gesellschaft haben werden. Aber dass Afghanistan noch längere Zeit mit ihnen rechnen muss, scheint festzustehen.
Malaysisches Palmöl – der zähe Kampf um Nachhaltigkeit
Wir brauchen es alle: In Waschmitteln, Schokoladeriegeln, Make-up. Laut Schätzungen ist Palmöl in jedem zweiten Produkt im Supermarkt zu finden. Doch Palmöl weckt oft negative Assoziationen. Nun hat Malaysia eine Nachhaltigkeits-Offensive gestartet. Wird die Palmöl-Industrie zu Unrecht kritisiert?
Palmöl ist im Westen in Verruf geraten. Noch immer werden für Palmöl-Plantagen Regenwald abgeholzt und Orang-Utans aus ihrem herkömmlichen Lebensraum vertrieben. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die schlechten Arbeitsbedingungen auf vielen Plantagen. In Malaysia beispielsweise sind sehr viele Arbeiter und Arbeiterinnen ohne Bewilligungen und ohne Schutz auf den Plantagen angestellt. Malaysia ist nach Indonesien der zweitgrösste Produzent von Palmöl - Palmöl ist ein wichtiges Exportgut des Landes. Die EU ist neben Indien und China der grösste Abnehmer von malaysischem Palmöl. Malaysia kam deshalb unter Druck, als das EU-Parlament entschied, Palmöl ab 2021 in Biokraftstoff zu verbieten. Die malaysische Regierung startete daraufhin eine Nachhaltigkeitsoffensive. Ihr Ziel ist es, den Standard in der ganzen Industrie zu heben und bald nur noch nachhaltiges Palmöl zu produzieren. Schönfärberei oder ein wirklicher Versuch, die Industrie nachhaltiger zu machen?
«Schliesslich geschieht jeden Tag etwas Wichtiges…»
Die Schweiz ignorierte den Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 mit spektakulärer Nonchalance. Dafür schrieben deutsche Medien schon bald von einer «Schweizer Mauer».
Die Schweiz und der Mauerfall. Das ist nicht bloss eine spannende, unterhaltsame Geschichte von früher. Sondern: Wir erfahren viel über uns selbst, die Schweiz.